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sparkling / ESSAY LASST

sparkling / ESSAY LASST SIE KNALLEN … … denn Schaumweine aller Art sind zuallermeist das Verkünden von Lebensfreude. Und genau die ist in diesen Zeiten auch Gegenwehr zur der sich breitmachenden Zukunftsskepsis. TEXT MANFRED KLIMEK Darauf Champagner! Ein Ruf, wie man ihn seit 2020, dem Anfang der Pandemie, zuletzt nur eher selten hört. Bei der Frage, ob Sekt oder Selters, gewinnt zunehmend das Wasser die Oberhand, seitdem die Welt in schwere Gewässer geraten ist. Doch jede Zurückhaltung, so nobel sie sich schreibt, jede Art von Selbstkasteiung, ist ein Gewinn für jene, die uns, dem so genannten Westen, moralische Defizite vorwerfen. Es wäre ein moralisches Defizit, jetzt auf Schaumweine zu verzichten, nur weil sie mit Freude, Feste und Übertreibung verschlagwortet werden. Freude, Feste und Übertreibung sind fixer Bestandteil unserer Lebenskultur, die in den letzten Jahren erfreulicherweise zunehmend ethisch ausgerichtet ist. Freude, Feste und Übertreibung: all das sind wir. All das ist Champagner. Und all das sollten wir uns nicht nehmen lassen. Die Zeiten waren schon erheblich düsterer, als Winston Churchill, stets der Sicherheit gewiss, dass die dunklen Mächte verlieren, seine tägliche Flasche Pol Roger im Grill-Room des Savoy in London köpfen ließ – das Hotel war damals Teil des so genannten War-Rooms, der Räume der Befehlsgewalt im Krieg gegen die Nazis. Churchill selber nannte die tägliche Dosis (von der wir wissen, dass sie dann doch nicht täglich konsumiert wurde), den notwendigen Kick der Freude – es galt auch Frankreich zu befreien. Ich werde Sie hier nicht mit einer weiteren Aufzählung langweilen, wie Champagner erfunden wurde (ein Nebenprodukt klösterlicher Kelterkunst) und welche Geschichte Champagner nahm. Wichtig jedoch: Es waren die noch jungen Vereinigten Staaten Amerikas, die dem Champagner verfielen und die enorme Mengen Flaschen noch auf Segelschiffen an ihre Ostküste verschiffen ließen, wo Champagner in New York oder Boston das Getränk eines neuen, antikolonialen Bürgertums wurde. Man muss dieses Bürgertum nicht feiern, denn es hat genug Untaten verübt. Wahr ist jedoch, dass der Champagner mit diesem Bürgertum das Getränk auch einer modernesüchtigen Welt wurde und so in Europa ab ungefähr 1860 jene Strahlkraft entfaltete, die zur Etablierung auch im Heimatland selbst beitrug, danach dann im benachbarten Deutschland, in England, in den russischen Metropolen und im Norden Italiens (wo Champagner immer noch eine große Käuferschicht hat) – Österreich- Ungarn war beim Champagnisieren lange zurückhaltend. Deutschland wurde damals zu jenem Schaumweintrinkerland, das es heute noch ist – obwohl Frankreich bis 1945 der so genannte Erbfeind zuerst der Preußen und später der Deutschen war. Da der Champagner handel, wie auch fast der gesamte Weinhandel, in Deutschland von jüdischen Mitbürgern organisiert wurde, kanalisierte sich die Wut der Hitlerei auf Champagner als Sinnbild der jüdisch-französischen Dekadenzlüge. Doch gleich nach Foto: Shutterstock 34 falstaff

Ende des zweiten großen Krieges fand der Champagner wieder die Liebhaber, die er vorher hatte. Sofern sich das deutsche Bürgertum das leisten konnte – in den Wirtschaftswunderjahren ab 1954 konnte es – und ausgenommen der Menschen in der DDR, wo selbst das Kaderpersonal dem Champagner größtenteils entsagte. Champagnertrinken war also lange, lange Jahre politisch. Wer Champagner trank, durfte sich verbrieft zu einer Elite der Moderne zählen, die wirtschaftsliberale Erfolge zeitigte. Diese Klientel hatte nicht zwingend Samthandschuhe an und ihre komplette Rüpelhaftigkeit verkörperten die russischen Oligarchen der Jelzin-Jahre, die quasi in Champagner badeten, sodass es selbst den damit gutverdienenden Champagnerhäusern peinlich wurde. LASSEN SIE UNS DIE BESSEREN TAGE, DIE KOMMEN, MIT EINEM GLAS SCHAUMWEIN BEGINNEN. JETZT! Champagner aber hat sich demokratisiert, ließ sich demokratisieren – eine Überlebensstrategie. Zuallererst besorgte das die so genannte Champagnerlinke („Gauche Champagne“) der Künstler und Philosophenblase im Pariser Stadtteil St. Germain, die Champagner weltweit als Signaturgetränk nun auch der bürgerlichen, systemkritischen Linken, damals weltweit Millionen Menschen, etablierte. Danach folgte die neue Restaurantkultur der Nouvelle Cuisine, die mehr denn je auf die Vielfalt der Hersteller setzte. Zudem tauschten die Champagnerhäuser den Bezeichnungsschutz ihrer Methode gegen die Freigabe, dass Crémant nun auch in anderen französischen Regionen so genannt werden durfte. Erneut wurde Champagner ein Signal der gesellschaftlichen Moderne. Und Champagner bekam Konkurrenz. In Katalonien wuchsen in den 1980er-Jahren die Cava-Winzerhäuser zu Exportkaisern heran, in Italien starte die Franciacorta- Region und zuletzt auch das Prosecco eine gewaltige Qualitätsinitiative. In Deutschland und stark auch in Österreich begannen namhafte Winzer ihre Weine »versekten« zu lassen. Dabei kam zum Beispiel der heute als Legende geltende Bründlmayer-Sekt heraus, der in Sachen populistischer Wertigkeit keinem Champagner nachsteht. Und er ist damit nicht der einzige Winzersekt Österreichs geblieben. All das hat den weltweiten Champagnerkonsum nie abflauen lassen. Jetzt boomen vermehrt so genannte kleine Winzerchampagnerhäuser, die aber nicht über jene Produktionskraft verfügen, den Markt zu verschieben. In den Jahren, die nun kommen, wird es vielleicht einen Dämpfer geben; einen Dämpfer der Lust, Schaumweine von Qualität zu trinken. Doch was Churchill wusste, wissen jetzt auch wir. Lassen Sie uns die besseren Tage, die kommen, mit einem Glas Schaumwein beginnen. Jetzt! < falstaff 35

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