PUBLIKATIONEN ÖSTERREICH

Liebe Leserin, lieber Leser,

willkommen zu Ihrem E-Reader des Falstaff Magazins! Ihre persönlichen Zugangsdaten haben Sie per Post bekommen. Klicken Sie bitte oben rechts auf "LOGIN" und geben Sie Ihren Usernamen und Ihr Passwort dort ein.

Anschließend wählen Sie bitte unterhalb der aktuellen Ausgabe aus den Reitern Ihre Sammlung, für die Sie ein Abo besitzen. Darin finden Sie die Ausgabe, die Sie lesen möchten.

Wenn Sie ein gültiges Abo für die gewählte Ausgabe besitzen, können Sie im E-Reader das vollständige Magazin lesen. Haben Sie für eine Ausgabe kein gültiges Abo, werden die Seiten ab Seite 20 nur verschwommen dargestellt.

Viel Spaß beim Genuss Ihrer digitalen Falstaff-Ausgabe!

Ihr Falstaff Team

Aufrufe
vor 7 Jahren

Gut Purbach

  • Text
  • Stiegl
  • Falstaff
  • Purbach
  • Weingut
  • Leithaberg
  • Rust
  • Burgenland
  • Bourdain
  • Weine
  • Beigestellt

gut purbach / MAX STIEGL

gut purbach / MAX STIEGL UND DIE INNEREIEN JE AUSGE- FALLENER DIE ORGANE SIND, DIE ICH SCHMORE & BR ATE, DESTO MEHR REIZEN SIE MICH. 22 falstaff Dieser Burgunder passt wunderbar zu den Hengsthoden«, frohlockt der Kellner und schenkt schwungvoll einen Bonneau du Martray Corton- Charlemagne, Jahrgang 2004, in die Gläser. Begeistert erklärt er, was den Gästen gerade serviert wird: »Auf ihren Tellern befinden sich Animelles vom Hengst mit Paradeis-Ingwer-Kraut und Steinpilzen. Guten Appetit!« Animelles? Was bitte soll das sein? Der Begriff ist ein kulinarischer Fachausdruck und benennt Hoden, die zum Verzehr bestimmt sind; ob vom Hengst, Stier, Widder oder Ziegenbock. Max Stiegl mag solche Sachen. Überhaupt liebt er Innereien. Ob gebackene Stierhoden (sie werden Herbstschnitzerl genannt), Lammnieren, gesottenes Kuheuter, gebratene Taubenleber oder Ziegenherz in Rahm mit Lammzungen – im Restaurant »Gut Purbach« werden solch ausgefallene Gaumenfreuden laufend serviert. Regelmäßig veranstaltet Küchenchef Max Stiegl kompromisslose Innereienmenüs für unerschrockene Esser. Es sind kulinarische Hardcore-Happenings, die sich des stetigen Zulaufs einer verschworenen Genießergemeinde erfreuen. Dabei sind Innereien nicht jedermanns Sache. Neuzeitliche Ernährungsgewohnheiten und eine aus den USA nach Europa überschwappende Anti-Cholesterin-Welle haben Bries, Hirn und Nieren in breiten Kreisen der Bevölkerung unpopulär gemacht. Gleichzeitig scheut eine wachsende Gemeinschaft hartgesottener Schlemmer und Feinschmecker kaum Mühen für diese lukullischen Abenteuer. Hoden waren in Österreich sogar lange Zeit verboten. Eine aus der Monarchie stammende Verordnung untersagte Fleischhauern »aus hygienischen Gründen« den Verkauf tierischer Körperteile, »die sich zu nahe an den Geschlechtsorganen befinden«. Die Hygiene diente als Vorwand für die Moral. Liebhaber solcher Delikatessen gab es dennoch. In der mittlerweile geschlossenen Landstraßer Markthalle im dritten Bezirk wurden Stierhoden lange Zeit unter der Theke verkauft. Max Stiegl erinnert sich: »Ich bin oft dorthin gelaufen, um mir Innereien jeglicher Art zu besorgen.« Erst durch den EU- Beitritt wurde diese Bestimmung außer Kraft gesetzt. Heute verarbeitet Stiegl unter anderem in der Küche auch ganze Schnepfen. Die Krönung dabei: der sogenannte »Schnepfen dreck«, ein

völlig in Vergessenheit geratener Küchenklassiker, der vor mehr als hundert Jahren als begehrte Delikatesse galt (siehe Rezept auf Seite 25). Dazu wird der Darm der Tiere samt Inhalt verarbeitet. Und genau das erweckt gemischte Assoziationen. Zwar sind Schnepfen bei ihrer Nahrungsaufnahme besonders wählerisch – sie ernähren sich ausschließlich von Grünzeug –, dennoch ist dieses Gericht nichts für Zartbesaitete: Der Ge danke, man würde dabei Gedärme ver zehren, setzt schon eine etwas robustere Natur voraus. Weil in der Regel nur wenige Schlingen vorhanden sind, wird Schnepfendreck häufig mit etwas Gänseleber verlängert, zusammen mit Speck und einigen Gewürzen fein gehackt, mit Eigelb vermischt und auf kleinen gerösteten Brotscheiben im Ofen sanft gratiniert. TABU UND TRADITION Fotos: Moritz Schell Innereien sind tierische Produkte in einem paradoxen Grenzgebiet zwischen Ekel und fanatischer Begeisterung. In den Kochshows der beliebten Fernsehköche kommen sie praktisch nie vor. Das Risiko, die Zuseher könnten sich angewidert abwenden, scheint zu groß. Auch Kochbücher mit Innereienrezepten sind auf dem boomenden Markt ausgesprochen rar. Zu den wenigen gehört das »Kochbuch der verpönten Küche« des im Vorjahr verstorbenen Wolfram Siebeck, jahrzehntelang das kulinarische Gewissen des Hamburger Wochenblatts »Die Zeit«. Fast entschuldigend schrieb er im Vorwort: »Selten sind ein Autor und sein Verlag so nachdrücklich davor gewarnt worden, ein solches Buch zu veröffentlichen.« Innereien, einst auch in Österreich und Deutschland fester Bestandteil der Volksküche, fielen dem drastischen Wandel der Esskultur nach dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer. Gerichte wie Beuschel, Bruckfleisch oder Kuttelfleck verfügen eigentlich über eine uralte Tradition, in den vergangenen 50 Jahren wurden derlei Gaumenfreuden aber zunehmend mit einem irrationalen Nahrungstabu belegt. »Ein wesentliches Merkmal des Tabus«, so die deutsche Soziologin Monika Setzwein, »ist seine emotionale Besetzung und sein häufig ambivalenter Charakter, in dem sich Ehrfurcht und Abscheu vereint finden.« Wohl am deutlichsten zeigt sich das am Beispiel der Kutteln. »Das Böse in unseren Küchen hat einen Namen: Es heißt > Max Stiegl in der Küche: kompromisslose Innereienmenüs für Hartgesottene. falstaff 23

FALSTAFF ÖSTERREICH