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falstaff insider / GLOBAL WARMING < Trauben weniger Aromavorstufen und Phenole gebildet, mit der Folge schwächeren Extrakts. Der Abfall der Säurewerte wird noch dadurch verstärkt, dass sich der bedeutendere Teil der Erderwärmung in der Nacht abspielt – von uns Menschen weniger wahrgenommen als die Temperaturspitzen am Tage. Wärmere Nächte aber führen besonders stark dazu, dass Säuren abgebaut werden und der pH-Wert in Most und Wein in ungesunde Höhen steigt. Hier das sensorische Bild eines typischen Global-Warming-Weins: viel Alkohol, wenig Frucht, flache Säure, grobes Tannin. Betriebe man in Mitteleuropa heute noch den Weinbau der Siebzigerjahre, würden die meisten Weine exakt so schmecken. GEGENMASSNAHMEN Natürlich haben die Winzer bereits reagiert – zum Glück können sie mit einer Veränderung ihrer weinbaulichen Metho- Buschreben findet man häufig in Südeuropa, aber auch hier in Kalifornien im Monte Bello Estate. EINE GROSSE LAUBWAND IST PASSÉ: WENIGER LAUB HEISST WENIGER PHOTOSYNTHESE, WENIGER ZUCKER, WENIGER ALKOHOL. Unten: Auf Lanzarote wurde der Weinbau schon immer extremen Klimabedingungen angepasst. – Kreis: Klimawandel-Forscher kontaminieren Trauben kontrolliert mit Schädlingen. den einige der negativen Effekte ausbremsen. Dabei mussten sie fast ihr ganzes Schulbuchwissen über den Haufen werfen: Statt alles zu tun, um die Reife der Traube zu fördern, wie es noch vor 15 Jahren gelehrt wurde, geht es inzwischen darum, Reife zu drosseln. Statt am Spalier eine möglichst hohe Laubwand zu ziehen, damit eine große Blattmasse Photosynthese leistet und möglichst viel Zucker bildet, halten die Winzer die Laubwand niedrig: Aufgrund der erhöhten Sonnenstrahlung wird so immer noch genug Zucker assimiliert, zudem verliert die Pflanze über eine kleinere Laubfläche weniger Feuchtigkeit, was in trockenen Sommern essenziell ist. Auch die bislang übliche Anlage eines Weinbergs steht auf dem Prüfstand: Bislang wurden Rebzeilen oft in Nord-Süd-Richtung ausgerichtet, damit das Laub der Stöcke während der sonnenreichsten Stunden des Tages möglichst wenig beschattet. Künftig könnte man genau eine solche Beschattung suchen. Experimente in Geisenheim favorisieren eine Ausrichtung im 42-Grad-Winkel: So gelangt die kühle Morgensonne stärker auf die Blätter als die heißere Nachmittagssonne. Je nach Region und Sorte dürfte auch die Buschrebe (»Gobelet«, »Alberello«) eine Renaissance erleben, die sich unter der Sonne quasi wegducken und ihre Frucht mithilfe der äußeren Blätter beschatten kann. Ob der Weinbau in Steillagen auch in Zukunft noch bessere Ergebnisse bringen wird als derjenige in flachen Nachbarlagen, darüber sind die Meinungen geteilt. Der Vorteil der Steillage, dem Winzer bei der Steuerung der Reife einen größeren Handlungsspielraum einzuräumen, bleibt prinzipiell auch unter den Bedingungen der Erderwärmung erhalten. Dazu kommt, dass sich die für den Weinbau wertvollen gesteinsreichen Böden meist in Hang- oder Steillagen finden. Allerdings sind Steillagen auch stärker für Trockenheit gefährdet. Fotos: Shutterstock, FRANCOIS NASCIMBENI / AFP / picturedesk.com, beigestellt 78 falstaff

BEWÄSSERUNG Eine besondere Bedeutung bei der Anlage künftiger Weinberge wird der Frage zukommen, ob Installationen zur Bewässerung vorgesehen werden oder nicht. In vielen Regionen der Welt gehören bewässerte Weinberge bereits zum Alltag. Die damit verbundenen Probleme haben indes neben der weinbaulichen auch eine politische Dimension. Denn selbstredend gibt es Lebensbereiche, die bei knappen Wasserressourcen Vorrang vor der Versorgung von Weinbergen oder selbst der Landwirtschaft im Allgemeinen besitzen. So wurden beispielsweise in Kalifornien im August 2021 Tausende Wasserrechte entlang von Sacramento River und San Joaquin River ausgesetzt, weitere 930 am Russian River, und gerade eben, im März 2022, warnten Kaliforniens Behörden in einem Schreiben an die Inhaber solcher Bewässerungsrechte, dass auch 2022 mit solchen Maßnahmen zu rechnen sei. Aber auch aus weinbaulicher Sicht ist Bewässerung zweischneidig: Reben, die an der Oberfläche an Feuchtigkeit gelangen, bilden keine Tiefenwurzeln aus, ohne Tiefenwur- Ein Geisenheimer Freilandversuch erforscht, welche Wirkung ein erhöhter CO2-Gehalt der Atmosphäre hat: Ein erstes Ergebnis ist, dass sich Schädlinge wie etwa der »Bekreuzte Traubenwickler« besser vermehren. IN KALIFORNIEN WURDEN IM SOMMER 2021 WEGEN STARKER TROCKENHEIT TAUSENDE RECHTE ZUR BEWÄSSERUNG AUSGESETZT. < »AUCH BEI REBEN GIBT ES OPTIMISTEN UND PESSIMISTEN« Hans Reiner Schultz ist Präsident der Hochschule Geisenheim und Experte für die Auswirkungen des Klimawandels auf den Weinbau. Er meint: »Wie stark sich die Rebsortenspiegel verändern werden, ist schwer vorherzusagen.« FALSTAFF: Professor Schultz, der Weinbau unter den Bedingungen der Erderwärmung ist einer ihrer Forschungsschwerpunkte. Werden wir in 50 Jahren noch dieselben Rebsorten in denselben Regionen sehen, also in Gegenden, in denen sie heute als klassisch gelten? HANS REINER SCHULTZ: Das ist eins der größten Probleme bei der praktischen Bewältigung des Klimawandels und relativ schwer vorherzusehen. Wenn wir rein nach den Klimadaten gehen, dann hätten beispielsweise 2018 mit diesen Rekordtemperaturen weder Riesling noch Grauburgunder bei uns in Deutschland wachsen dürfen. Man findet jetzt öfter den Huglin-Index in der Diskussion, eine Skala, an der man ablesen kann, welche Sorten in die einzelnen Klimazonen passen. In der Tat ist der Huglin-Index an die Sorteneignung gekoppelt, aber er verleitet leider auch zu falschen Schlüssen. Riesling und Pinot Noir fallen beispielsweise in den Bereich zwischen 1700 und 1800, aber trotzdem ist es kardinal falsch zu sagen: Ab einem Huglin-Index über 1800 ist Pinot Noir nicht mehr geeignet. Der Index definiert nur ein Minimalziel, das eine Sorte benötigt, um ausreichend reif zu werden. Man kann ihn nur als unteren Schwellenwert ansehen. Das heißt, wenn sich der Huglin-Index einer Region im Lauf der Erderwärmung erhöht, dann lässt sich daraus zunächst nur schließen, dass es dort möglich wird, andere, wärmebedürftigere Rebsorten anzubauen. Und man kann nicht daraus schließen, dass die alten Sorten zwingend aufgegeben werden müssen? Ja, genau. Man muss sich dann anschauen, wie gut sich unsere angestammten Sorten halten. Man spricht bei der Eigenschaft von Rebsorten, in einem breiten Spektrum von Klimabedingungen gute Weine zu bringen, von »Plastizität«. Chardonnay und Cabernet beispielsweise sind relativ plastisch, bei anderen Sorten ist man sich noch nicht so sicher. Demnach wäre es nicht seriös vorherzusagen, dass in Kalifornien in 30 Jahren nur noch Sorten wie Tempranillo oder Mourvèdre wachsen? An der Westküste der USA geht auch jetzt schon alles, und mit Rhône-Sorten haben Leute wie Randall Grahm von Bonny Doon schon vor 40 Jahren experimentiert. Trotzdem: Napa würde dennoch auf kein anderes Pferd setzen als auf Cabernet, da bin ich ziemlich sicher. Das heißt dann aber vermutlich, dass man weinbaulich viele Parameter ändern muss? Gerade wenn man über »dry farming« spricht, also Weinbau ohne Bewässerung, dann muss man sich natürlich Gedanken machen. Aber man darf auch die Anpassungsfähigkeit von Reben nicht unterschätzen. Eine der größten Überraschungen meiner bisherigen Forscherlaufbahn waren Ergebnisse, die ich in Montpellier bei Studien an Syrah und Grenache gewinnen konnte. Kurz gesagt: Grenache macht total zu, wenn es trocken wird, aber Syrah haut alles raus und wächst erst recht weiter auf der Suche nach Wasser. Auch Reben können sich optimistisch oder pessimistisch verhalten. Geradezu menschliche Eigenarten! Grenache ist ein extremer Pessimist und Syrah ein Optimist. Und bislang haben beide Sorten bestens überlebt, auch unter den Bedingungen intensiver Trockenheit. Aber auch das hat natürlich Grenzen. Diese Grenzen werden zum Beispiel bei Optimisten erreicht, wenn Dauertrockenheit und vollständige Wassernutzung zum Kollaps führen (falls keine Bewässerung möglich ist). Physiologisch kann sich das in extremem Blattverlust und fehlender Holzreife äußern. Dann werden Faktoren wie Ertrag, Zucker- und auch Farbbildung extrem negativ beeinflusst. falstaff 79

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