Falstaff Magazin Österreich Nr. 9/2024

italien / TRATTORIA

italien / TRATTORIA Das» Ristorante Consorzio« zelebriert in Turin die piemontesische Küche mit traditionellen Gerichten wie Agnolotto Gobbo und Ravioli di Finanziera. Es ist leichter, einem Restaurant gegenüber treu zu sein als einer Frau«, behauptete einst schon Federico Fellini. Unwidersprochen zustimmen will man der umstrittenen Aussage des berühmten Filmemachers freilich nicht. Und dennoch zeigt sie, welche große Bedeutung die eigene »Trattoria des Herzens« für die italienischen Feinschmecker hat. In einer von Schnelllebigkeit geprägten Welt, in der Restaurants mit immer neuen Konzepten und Trends um die Aufmerksamkeit der Kunden buhlen, setzen Trattorien einen bewussten Kontrapunkt. Stets der Geselligkeit und dem Geschmack verschrieben haben sie ihre Wurzeln in der kulinarischen Tradition Italiens, in der die Küche seit jeher eine zentrale Rolle im täglichen Leben spielt. Gleichzeitig schaffen sie den Spagat, nicht verstaubt und aus der Zeit gefallen zu wirken. Die Wurzeln der Trattoria finden sich in der Antike und gehen zurück auf die »Cauponae«, römische Gaststätten also, die den Reisenden Speisen und Getränke anboten. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelten sich diese Gasthöfe zu Tavernen, die im Mittelalter zu Anlaufstellen für all jene wurden, die auf der Suche nach Essen und Unterkunft waren. Das wahre Wesen der Trattorien bildet sich jedoch erst im 19. Jahrhundert heraus, als sie sich als informelle Orte etablierten, an denen man köstliche hausgemachte Mahlzeiten zu erschwinglichen Preisen genießen konnte – und das in einer geselligen und warmen Atmosphäre. Im 20. Jahrhundert hielten die Trattorien diese Tradition aufrecht und dienten als Zentren für geselliges Beisammensein, aber auch für die Pflege der lokalen Küche. Wiederum andere Trattorien verschrieben sich der Innovation und vermischten traditionelle Rezepte mit modernen Einflüssen. GESELLIGKEIT UND TRADITION Heute gibt es in Italien etwa 329.000 Restaurants, darunter Trattorien, Osterien und Fotos:Karasev Viktor / Shutterstock, beigestellt 68 falstaff nov 2024

Bereits seit 1901 bewirtet die Trattoria »Da Burde« in Florenz ihre Gäste. Klassiker wie Bistecca alla Fiorentina dürfen nicht fehlen. DIE TRATTORIEN KNÜPFEN AN DIE TRADITION DER »CAUPONAE« AN – GASTSTÄTTEN, DIE EINST IM ALTEN ROM DIE REISENDEN VERSORGTEN. gehobene Restaurants. Obwohl genaue Zahlen über die Anzahl der Trattorien fehlen, ist offensichtlich, dass sie einen signifikanten – und wachsenden – Teil der italienischen Gastronomieszene darstellen. Aktuell erleben wir ein wahres Revival der Trattorien, genährt durch die Suche vieler Genussliebhaber nach Authentizität und Einfachheit. Einer der spannendsten Aspekte der italienischen Trattorien ist ihre Fähigkeit, die kulinarische Vielfalt der unterschiedlichen Regionen widerzuspiegeln. Jede Region Italiens hat ihre eigenen Gerichte, die die lokaltypischen Produkte feiern und jede Trattoria so auch zum Sinnbild der jeweiligen Gegend machen. Ein und dieselbe Speisekarte in allen Trattorien Italiens gibt es daher auch nicht. Viel mehr bringt jede Region ihre eigenen Traditionen und Spezialitäten auf den Tisch. Im Norden kann man beispielsweise die typischen Piemonteser Agnolotti genießen, gefüllte Teigtaschen, die mit Bratensauce serviert werden, während in der Emilia- Romagna die Tagliatelle al Ragù, ein zeitloser Klassiker, nicht fehlen dürfen. In der Toskana bietet man wiederum Pici Cacio e Pepe an, ein einfaches, aber köstliches Pasta-Gericht mit Pecorino und schwar- zem Pfeffer. Im Süden wird die Küche mit intensiven Aromen bereichert wie dem Sartù di Riso in Kampanien und den Arancini in Sizilien, Symbolen der lokalen gastronomischen Tradition. Diese Rückbesinnung auf regionale Eigenheiten sichert nicht nur eine Zukunft für die 5047 traditionellen Spezialitäten, die Italien den Weltrekord für Vielfalt verleihen, sondern trägt auch zur Wertschätzung der lokalen Traditionen bei. Wie Pietro Vergano, Inhaber der »Trattoria Consorzio« in Turin, sagt: »Trattorien wie die unsere verbinden Tradition und Moderne, indem sie authentische Gerichte mit hochwertigen Zutaten und einem kreativen Touch anbieten. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Wiederbelebung der Trattorien auf der perfekten Verschmelzung von Vertrautheit und Geschmack beruht.« Darüber hinaus bereichert die einladende Atmosphäre mit zeitgenössischen < nov 2024 falstaff 69