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Falstaff Magazin Österreich Nr. 7/2024

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indien / ESSAY ERNSTES

indien / ESSAY ERNSTES BOLLYWOOD Bollywood prägt unser Bild von Indien: bunte Bilder, singende und tanzende Menschen. Doch hinter der Fassade sind auch ernsthafte Themen zu finden, die Aufschluss über die Veränderungen der indischen Gesellschaft geben. Meine erste Begegnung mit Bollywood fand im Urlaub statt. Am Hotel-Fernseher lief ein Musiksender, der einzelne Nummern aus indischen Filmen abspielte. Es war nicht die Musik, die mich faszinierte, sondern die Inszenierung: Szenen mit Hunderten Statisten, bunte Kostüme, aufwendige Kamerafahrten. Eine farbenfrohe, spektakuläre Welt tat sich da auf, die gleichermaßen fern und nah schien. Einerseits hatte ich Derartiges zuvor noch nie gesehen, andererseits erinnerten mich diese Musiknummern an klassische Hollywood-Musicals. Losgelöst von der Handlung der Filme, denen sie entstammten, und ohne zu verstehen, was hier gesungen wird, löste diese Begegnung ein Interesse am indischen Film aus, das noch immer lebendig ist. Dabei wurde mir recht schnell klar, dass sich der indische Film und jener Anteil davon, den man Bollywood nennt, nicht auf Oberflächenreize reduzieren lässt. GEFÜHL, MUSIK UND STARS Indien ist einer der größten Filmproduzenten der Welt. Jene Filme, die in der Amtssprache Hindi gedreht werden, nennt man seit den 1970er-Jahren Bollywood. Diese Zusammensetzung aus Bombay (heute Mumbai) und Hollywood war ursprünglich eher abschätzig gemeint, hat sich aber seit Beginn des 21. Jahrhunderts zum Synonym für das moderne Indien entwickelt, mit dessen Hilfe mittlerweile von Tanzkursen bis zu Restaurants alles Mögliche verkauft wird. Bollywood-Filme sind in der Regel drei Stunden lang, haben mehrere Musiknummern und mischen Genres nach Lust und Laune. »Masala« – nach der Gewürzmischung – werden etwa Filme genannt, in denen Verfolgungsjagden auf Tanzszenen folgen. Mit der Mischung aus Gefühl, Musik und Stars ist Bollywood seit Anfang der 2000er-Jahre auch in westlichen Ländern wie Deutschland oder Österreich, in denen es nur eine kleine indische Community gibt, auf Interesse gestoßen. War es bis dorthin aufwendig, indische Filme überhaupt sehen zu können, finden sich diese heute auf den bekannten Streaming-Diensten. Ein näheres Verständnis der indischen Kultur und Geschichte ist nicht unbedingt nötig, um den Filmen etwas abzugewinnen, ein wenig Information über die Kontexte der indischen Filmindustrie und Gesellschaft macht aber rasch klar, dass hier nicht nur kitschige Liebesgeschichten zu sehen sind. Der populäre indische Film änderte sich in den 1990er-Jahren grundlegend und schuf damit die Grundlage für den Erfolg im Westen. Zuvor wurden im westlichen Ausland lebende Inderinnen und Inder als Fotos: DPA-KAM-Dinodia Photo 80 falstaff sep 2024

CLAUS TIEBER Claus Tieber ist Filmwissenschaftler, forscht an der Privatuniversität der Stadt Wien für Musik und Kunst und lehrt an der Universität Wien. Sein Buch »Passages to Bollywood. Einführung in den Hindi-Film« erschien 2009 im Lit-Verlag. Bunte Kostüme und spektakuläre Tanzszenen sind typisch für Bollywood- Filme. Es geht aber durchaus auch um ernstere gesellschaftspolitische Themen. Karikatur dargestellt, als Figuren, die ihre Kultur, Religion und Herkunft vergessen und zu amoralischen Konsumenten werden (beispielhaft hierfür »Purab aur Pachim« aus dem Jahr 1970). Doch mit der beginnenden Globalisierung wurde die indische Diaspora ökonomisch für Indien so wichtig, dass sich auch das filmische Bild der Non-resident Indians (NRIs) änderte. Im Ausland lebende Inder konnten von da an reich und materialistisch sein und dennoch ihre indischen Werte behalten. Dazu zählt vor allem der Respekt vor der älteren Generation oder dem Schwiegervater in spe. Die Zeit der Rebellion, die in den 1970er- Jahren dazu führte, dass filmische Liebespaare dem vorgesehenen Schicksal der arrangierten Ehe mit anderen ungeliebten Partnern entflohen, ist vorbei. Die Zustimmung, der Segen des Familienoberhauptes wird nun gesucht. Mit der Darstellung dieser Figur des wertebewussten, sensiblen, B OLLYWOOD- FILME ZEIGEN, DASS MAN AUCH SINGEND UND TANZEND GROSSE PROBLEME BEHANDELN KANN. aber westlich gestylten Liebhabers wurde Shah Rukh Khan zum internationalen Superstar. Der auslösende Film Dilwale Dulhanyia Le Jayenge (1995) läuft seit damals durchgehend in einem Kino in Mumbai. BOLLYWOOD UND DIE POLITIK Die arrangierte Ehe war und ist ein wichtiges Thema von Bollywood-Filmen, was scheinbar belanglose Liebesgeschichten zum Gradmesser des Zustands der indischen Gesellschaft macht. Opposition oder Akzeptanz dieser kulturellen Form der Heiratsvermittlung zeigt den Grad der Liberalität der Gesellschaft, das Verhältnis der Generationen sowie die Frage der Autorität und ist somit alles andere als ein nur oberflächliches Thema. Bollywood hat sich immer auch sozialer und politischer Themen angenommen. Das Land hat seit seiner Unabhängigkeit und der damit verbundenen Teilung in das dominant hinduistische Indien und das muslimische Pakistan immer wieder mit gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Religionen zu kämpfen. Bollywood-Filme zeigen, dass man auch singend und tanzend ernste Probleme behandeln kann. Die indische Filmindustrie hat sich stets für ein friedliches Zusammenleben der Religionen eingesetzt, sowohl in seinem multireligiösen Personal (einige der größten Stars Bollywoods wie Shah Rukh Khan sind Moslems), als auch in seinen Erzählungen. Mit der Regierung Modi ändert sich dies nun. Stereotypische Darstellungen von Muslimen sowie Proteste gegen die vermeintliche Verletzung religiöser Gefühle von Hindus bestimmen seither das filmpolitische Klima. Ausgerechnet ein so harmloser Film wie »Annapoorani: the Goddess of Food« (2023), der den Weg einer jungen Frau aus einer streng vegetarischen Brahmanen-Familie (der obersten Kaste) zur fleischessenden Chefköchin darstellt, stieß auf so heftige Proteste, das Netflix den Film Anfang des Jahres aus dem Programm nahm. Hinter der bunten, kulinarischen Fassade des indischen Kinos spielen sich derzeit politische Veränderungen ab. Dabei sind auch Liebesbeziehungen und Ernährungsfragen Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen. Gelöst werden diese im Film noch immer singend und tanzend. < sep 2024 falstaff 81

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