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Falstaff Magazin Österreich Nr. 4/2023

wein/ BORDEAUX EN

wein/ BORDEAUX EN PRIMEUR Das legendäre Château Haut- Brion erzeugte im Jahr 2022 einen Herausforderer für den legendären Jahrgang 1990. In der Cuverie von Bellefont- Belcier in Saint-Emilion entstanden komplexe und elegante Rotweine. Der Erntezeitpunkt war ein entscheidender Faktor. Die Devise hieß: besser zu früh als zu spät, um die Frische zu erhalten. PARKER-ÄRA BEENDET Die Parker-Era ist mit 2022 endgültig in Bordeaux zu Ende gegangen. Vor exakt 40 Jahren hatte der Weinkritiker Robert Parker mit seinem völlig berechtigen Lobgesang auf den anfänglich von vielen verkannten Jahrgang 1982 den Grundstein zu seinem Aufstieg zum wichtigsten Weinbewerter der Welt gelegt. Dabei hat er die Tür für Bordeaux zum amerikanischen Markt weit aufgestoßen und ein vermeintliches Erfolgsrezept mitgeliefert: Gemeinsam mit einigen umtriebigen Konsulenten, allen voran Michel Rolland, durfte die Weinwelt den »Parker Style« kennenlernen. Darunter verstand man Rotweine, die so zugeschnitten waren, dass sie vom »Wine Advocate« Parker mit möglichst hohen Punkten beurteilt wurden. So bekommt jede Periode ihren Stil. Diese war geprägt von neuem Holz, Kraft, Frucht, Opulenz und all das möglich plakativ zu Schau gestellt. 100 Punkte von Parker waren die Garantie für schnellen Absatz und steigende Preise. Die Aufmerksamkeit des Publikums war diesen im wahrsten Sinne des Wortes sehr konzentrierten Weinen gesichert. Das soll keinesfalls bedeuten, dass diese Weine schlecht gewesen seien, nein, sie waren anders, und sie waren zum Glück auch Teil eines Lernprozesses. Und zwar bei Produzenten wie Konsumenten. Denn es gibt Weine, mit denen man bei Verkostungen Eindruck schinden kann, und es gibt solche, bei denen man gar nicht mehr aufhören möchte, sie zu genießen. Es ist eine Tatsache, dass heute von einem wirklich großen Jahrgang andere Dinge erwartet werden als vor 20 Jahren. Was hat sich also geändert? Ist nur das Klima schuld am Paradigmenwechsel in Bordeaux? Keineswegs. Die Faktoren sind vielfältig und mit freiem Auge leicht erkennbar. Wer vor 20 Jahren die Weinregion an der Gironde bereiste, sah in der Regel Folgendes: Die Rebberge sahen aus wie braune Äcker, auf denen grüne Reben wuchsen. Trotz des Einsatzes aller möglichen Mittelchen zur Erzielung möglichst reifer Trauben wurde die Biodiversität komplett vernachlässigt. Entblätterung und Grünernte wurden praktiziert, während in den Kellern Hightech-Methoden zum Einsatz kamen. Heute sieht man den Wandel sofort an den Weingärten. Begrünte Böden voller Vielfalt und Leben, beschattet von Hecken und Bäumen. Kein Einsatz von schweren Böden, schonender Umgang mit dem Lesegut. Die Prinzipien von organischem und biodynamischem Weinbau haben vielerorts Einzug gehalten. Manchmal glaubt man sogar, im falschen Weinbaugebiet gelandet zu sein. In den letzten Jahren wurden die Reben durch diese sinnvollen Maßnahmen angehalten, sich an die trockenen Umstände besser anzupassen, und wie gut dies bereits gelungen ist, zeigt nun der Jahrgang 2022. Eine neue Generation von Winzern erzeugt nun Weine, die ganz und gar dem Geist der Zeit entsprechen – im positivsten Sinne gemeint. Frische und Finesse hat Kraft und Konzentration abgelöst. < Fotos: beigestellt 52 falstaff jun 2023

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