Falstaff Magazin Österreich Nr. 4/2022

wein / SPANISCHE

wein / SPANISCHE LEGENDEN Eine echte Rarität: In den letzten zwanzig Jahren wurde die »Castillo Ygay Gran Reserva Especial« nur achtmal produziert. SPANISCHE LEGENDEN Noch heute steht Spanien in den Köpfen vieler Weinkenner vor allem für anständige Preis-Leistungs-Weine. Ein Fehler, denn Spaniens Weine sind legendär. Einige der exklusivsten Perlen stellen wir Ihnen hier vor. TEXT DOMINIK VOMBACH Ohne die Evolution der spanischen Spitzenküche in den 1970er-Jahren wäre die spanische Weinwelt vermutlich eine andere. Köche wie Juan Mari Arzak riefen 1976, inspiriert von Paul Bocuse und der Nouvelle Cuisine, die Bewegung der »Neuen Baskischen Küche« ins Leben. Zu einem Zeitpunkt, als Spanien sich bereits am Rande des Umbruchs befand. Die »Neue Baskische Küche« erklärte die Rettung der traditionellen regionalen Küche zum Ziel und forderte ein Gleichgewicht zwischen Tradition und Innovation. Zu den Zielen gehörte die Förderung von hochwertigen spanischen Weinen in den Restaurants durch bessere Ausbildung der Mitarbeiter und Verbraucher. Zehn Jahre später wurde das erste Restaurant Spanien – das »Zalacaín« in Madrid – mit drei Michelin-Sternen gekürt. Und obwohl Wein dort eine zentrale Rolle spielte, fanden sich hauptsächlich französische Crus auf der Karte. Spaniens Küche revolutionierte sich, der spanische Wein jedoch hinkte hinterher. Von großen Konzernen industriell produziert war er weit entfernt von der exquisiten Qualität, die Spaniens Topweine heute auszeichnen. Es brauchte Visionäre, die dem unglaublich vielfältigen Weinland neues Leben einhauchten. Mit ihnen wurde Spanien zur Fine-Wine-Region. Fotos: beigestellt, Carlos Sánchez Pereyra / Mauritius Images 32 falstaff jun 2022

MARQUÉS DE MURRIETA, RIOJA Luciano de Murrieta y García-Lemoine, Gründer von Marqués de Murrieta, war einer der großen Vordenker der spanischen Weinbranche. Mit ordentlich Know-how über Weinbau und Kellertechnik, das er im Bordeaux erwarb, kehrte er 1852 zurück nach Rioja, wo er das erste kommerziell überregional agierende Weinunternehmen der Region formte. Das Flaggschiff des Hauses, der »Castillo Ygay Reserva Especial«, geht zurück auf den Jahrgang 1877 und wurde ganz nach Vorbild Bordeaux zunächst als »Château Ygay« bezeichnet. Der Wein, immer eine Selektion der besten Fässer aus herausragenden Jahrgängen, heißt seit dem Jahr 1917 »Castillo Ygay« und wurde in den letzten zwanzig Jahren nur achtmal produziert. Während die rote Version – der »Castillo Ygay Gran Reserva Especial« – im Schnitt für 184 Euro zu haben ist, ist die deutlich rarere weiße Version auch entsprechend teurer. Für sie zahlt man durchschnittlich 619 Euro, wenn man sie noch findet. Die Londoner Weinbörse Liv-ex zählt Murrieta nicht nur zu den wichtigsten spanischen Weinmarken auf dem Sekundärmarkt, sondern auch zu den aufstrebenden im letzten Jahr. weinundco.at, marquesdemurrieta.com VEGA SICILIA, RIBERA DEL DUERO Die Weine keines anderen spanischen Weinguts sind auf dem Sekundärmarkt so gefragt wie die von Vega Sicilia. Vega Sicilia ist Kult, genauso wie das Flaggschiff des Hauses, der »Unico«. Ein Wein, der einem Monument gleichkommt, das jeglichen Moden oder Trends trotzt. Bis heute kommt die Assemblage aus mindestens 80 Prozent Tempranillo, Cabernet Sauvignon, Malbec, Merlot und einem Hauch Albillo erst nach zehn Jahren auf den Markt. Eine echte Seltenheit in der heutigen, äußerst schnelllebigen Weinwelt. Und ein Überbleibsel des Önologen Txomin Garramiola, der die lange Reifedauer der Vega-Sicilia-Weine einführte und damit erste Erfolge feierte – unter anderem bei der Weltausstellung in Barcelona 1929. An der Tradition, die Vega Sicilia wohlig umhüllt, rüttelte auch die Familie Alvarez nicht, die das Weingut im Jahr 1982 übernahm. Der damals 20-jährige Anwalt Pablo Alvarez hauchte der Bodega neues Leben ein und machte sie endgültig zur spanischen Legende. Rund 450 Euro kostet eine Flasche der »Unico Gran Reserva« heute durchschnittlich auf dem freien Markt. Der Jahrgang 1921 liegt aktuell bei 3500 Euro und ist damit der teuerste. Die »Unico Reserva Especial«, ein Jahrgangsverschnitt, ist für etwa 440 Euro zu haben. Und auch der Einstiegswein des Hauses, der »Valbuena 5«, liegt im dreistelligen Bereich. weinundco.at, temposvegasicilia.com Kein anderes spanisches Weingut ist auf dem Sekundärmarkt so gefragt wie »Vega Sicilia« aus der Region Ribera del Duero. DOMINIO DE PINGUS, RIBERA DEL DUERO Wer weiß, wo Ribera del Duero heute ohne den Dänen Peter Sisseck stehen würde? Als Sisseck Mitte der 1990er in der Region aktiv wurde, war da freilich schon Vega Sicilia, doch damals war diese Weinlegende bloß eine nationale Größe. Zu internationalem Ruhm gelangte Ribera del Duero erst durch den Kritiker Robert Parker und den Wein eines damals jungen, sehr talentierten Winzers namens Sisseck. In der ersten Hälfte der 90er-Jahre entdeckte der Weinmacher zwei kleine Weinberge mit uralten Tempranillo-Weinstöcken in San Cristobal und Barrosso in der Region La Horra, die er erwerben konnte. Sissecks Flagschiff, der »Pingus«, wird von Parker gleich mit dem Erstlingsjahrgang 1995 mit sagenhaften 96 bis 100 Punkten gekürt. 2004 erreicht der Wein zum ersten Mal göttliche 100 Punkte und bugsierte sich und Ribera del Duero in den Weinolymp. Eine Flasche davon schlägt heute mit durchschnittlich 1600 Euro zu < jun 2022 falstaff 33