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vor 3 Jahren

Falstaff Magazin Österreich Nr. 2/2022

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wein / GRUSS AUS DER

wein / GRUSS AUS DER KÜCHE Bis zu 150 Fastentage kannte das katholische Kirchenjahr noch im Mittelalter. Das war für etliche Schäfchen zu viel der Buße – und mit ein Anstoß für die Reformation. Burgunder oder Bordeaux? Am liebsten beides! Aber welcher zuerst? Ob sich die Zeremonienmeister im Buckingham Palace oder im Élysée Palast darüber Gedanken machen? Nachdem wir weder da noch dort je zum Essen eingeladen waren, können wir diese Frage leider nicht beantworten. Aber warum machen wir uns überhaupt Gedanken darüber? Das liegt an einer wunderbaren Geschichte, die Christoph Wagner vor Jahren erzählte. Österreichs allerbester, leider schon verstorbener Ess-Auskenner berichtete, dass seinerzeit Burgunder die erste Wahl am französischen und Bordeaux Favoriten am englischen Königshof gewesen seien. Die katholischen Bourbonen tranken andere Rote als die protestantischen Windsors. Und verschmitzt behauptete Wagner weiter, dass die beiden teuersten Weinbauregionen der Welt wegen ihrer Geschichte als Hersteller von »Königsweinen« sogar selbst religiöse Charakteristiken aufwiesen. Immerhin waren oder sind ja die gekrönten Weintrinker in Frankreich und England Abgesandte ihres jeweiligen Gottes … Es sei den Kennern überlassen, über religiöse Geschmacksnuancen zu urteilen: Ist ein Bordeaux sachlich und gottesfürchtig? Wird in Südwestfrankreich nach 95 Thesen gekeltert? Oder gibt es ein Zölibatsbukett bei den Burgundern und muss man nach einer geleerten Flasche Ablass zahlen? DIE KATHOLISCHEN KÖNIGE FRANKREICHS BEVORZUGTEN BURGUNDER, DIE PROTESTANTISCHEN HERRSCHER ENGLANDS BORDEAUX. KULINARISCHE REFORMATION Die Interpretation der Religion, also aus dem Gottesglauben herausgelesene Regeln, könnte aber sehr wohl eine Rolle bei der christlichen Kirchenspaltung gespielt haben. Einst befahl die katholische Priesterschaft Gläubigen die Einhaltung eines ziemlich kargen Speiseplans. Fasten war omnipräsent, das Kirchenjahr sah über 150 Fasttage vor. Da kann Unterernährung schon mal vorkommen. Speziell in den kühleren Gebieten nördlich der Alpen musste viel zu oft auf nahrhafte Speisen verzichtet werden. Denn hier war jahrtausendelang tierisches Fett ein essenzieller Bestandteil der täglichen Ernährung. Bis heute ist das nachvollziehbar. Die nördlichen Alpentäler beziehen ihre Nahrungsgrundlagen seit Anbeginn der Besiedlung aus Vieh- und Milchwirtschaft. Fettreiche, sehr nahrhafte Produkte lassen sich gut aus Kuh-, Ziegenoder Schafmilch und natürlich auch aus dem Fleisch dieser Tiere gewinnen. An den 56 falstaff apr 2022

südlichen Hängen der Alpen, in Italien oder Frankreich, betrieben die Menschen von Anfang an Ackerbau. Das notwendige Fett »importierten« sie in Form von Pflanzenölen aus dem mediterranen Raum. Ein Fasttag, der auch den Verzehr von Butter, Käse oder sogar Milch verbietet, war für Zentral- und Nordeuropäer also deutlich schwerer zu ertragen als für Bewohner des sonnigen Südens, wo Oliven und Sonnenblumen reichlich Fett zur Verfügung stellen. Die Hohepriester der Reformation thematisierten dieses Problem. Huldrych Zwingli war persönlich beim Zürcher (oder Froschauer) Wurstessen anwesend, das für die Calvinisten ähnlich bedeutend ist wie der Wittenberger Thesenanschlag für die Lutheraner. 1522 veranstaltete der Züricher Drucker Christoph Froschauer am ersten Sonntag der Fastenzeit ein Wurstessen für Handwerksgesellen. In Anwesenheit mehrerer Geistlicher wurde demonstrativ gegen das Abstinenzgebot verstoßen. Froschauer, später ein wichtiger Mitstreiter der Schweizer Reformation, musste sich dafür vor dem Stadtrat verantworten, doch es folgten weitere derartige Protestaktionen. Die katholischen Fasttage wurden seither deutlich reduziert. Aber bei der Fleischfrage scheiden sich immer noch die katholischen von den protestantischen Geistern. Erstere halten bis heute daran fest, dass Gottes Fleisch in Echt von den Gläubigen gegessen wird. Während der Wandlung, also wenn bei der Messe »das ist mein Fleisch« gesagt wird, fährt Gott höchstselbst in das Brot ein. Dieses »Fleisch Gottes« bekommen Kirchgänger bei der Kommunion zu essen. Deswegen sind Hostien mundgerecht vorportioniert und deshalb wird die große Hostie des Priesters über einem Kelch gebrochen. Denn wenn das Brot bröseln und auf den Boden fallen würde, fiele Gott zu Boden. Das darf nicht passieren. Diese Idee kennen protestantische Gläubige nicht. DER WERT DES FLEISCHES Fleisch wird schon recht lange religiös verehrt. Göttinnen und Göttern damals wie heute schmeckte und schmeckt totes Tier. Deswegen wurde ständig ein Bisserl Fleisch geopfert. Wer darauf vergaß, wie die siegreichen griechischen Belagerer Trojas, hatte ein Problem. Geopfert wird auch heute, auf offenem Feuer. Die da oben kriegen den Rauch und die herunten das Fleisch. Jeden Sommer finden unzählige Opferrituale statt, bei denen die Männer dieser Welt, Hohepriester des Grillens, auf riesigen Opferaltären aus Stahl Fleisch für die Götter verbrennen. Allerdings war dieses Fleisch noch bis vor wenigen Jahrzehnten eine rare Festtagsspeise. Wenn es Fleisch gab, wurde es mit Respekt gekocht und gegessen. Selbst das Töten des Tiers passierte mit einer gewissen Feierlichkeit. Wir haben das selbst noch erlebt. Fleisch wurde als wertvolles Gut betrachtet und das tote Tier wurde geehrt. Im Zeitalter der Massentierhaltung passieren Leben und Sterben von Nutztieren hinter verschlossenen Türen. Schnitzel in der Styroschale haben nichts Göttliches an sich. Vakuumverpackten Batteriehühnern wird kein Respekt entgegengebracht. Fleisch ist nichts mehr wert. Das ist schade. Andererseits gibt es immer mehr Köche, die sich über den Wert von Fleisch (und anderer Lebensmitteln) Gedanken machen und das auch gastronomisch umsetzen. In Österreich etwa die Mitglieder des Kochcampus, die Fleisch mit sehr viel Respekt, nachhaltigen Ideen und kreativer Radikalität aufwerten. Oder Johann Reisinger, der seit Jahren daran arbeitet, einen vegetarischen Sonntagsbraten zu etablieren. Es tut sich also etwas. Das ist gut so. Aber was trinkt man jetzt dazu? Burgunder oder Bordeaux? HONEY & BUNNY Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter studierten Architektur. Während eines Arbeitsaufenthalts in Tokio begannen sie sich für Food Design zu interessieren, seither gestalten und kuratieren sie Ausstellungen und Filme, realisieren Eat-Art-Performances und schreiben bzw. illustrieren Bücher. < apr 2022 falstaff 57

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