Falstaff Magazin Österreich Nr. 10/2023

wein / SPRUDELNDE WELT

wein / SPRUDELNDE WELT Mit feiner Kohlensäure angereicherte Weine haben eine lange Geschichte. Schon in der Antike wird von schäumenden Weinen berichtet. Seit damals ist das Wissen über das Wesen des Gärprozesses und die gezielte Herstellung solche Weine belegt. Dass man Wein durch die Zugabe von Zucker zu einer zweiten Gärung animieren kann, war also bereits lange vor Dom Pérignon bekannt, der im 17. Jahrhundert den Champagner »erfunden« haben soll. Allerdings kam erst mit der Entwicklung der druckfesten Glasflasche richtig Schwung in die Geschichte. Unter der Veuve des Herrn Clicquots begann man im Jahr 1806 mit einem Verfahren, das heute als »Méthode Classique« durch Rütteln und Degorgieren den Hefetrub aus dem Schaumwein entfernt und den Wein ERST MIT DER ENTWICKLUNG DER DRUCKFESTEN GLASFLASCHE KAM SO RICHTIG SCHWUNG IN DIE SACHE MIT DEM SCHAUMWEIN. zu einer klaren Sache macht. Mit der Möglichkeit, den prickelnden Wein aus der Champagne in der Flasche nach Paris, London und St. Petersburg zu exportieren, eroberte dieser schnell die Herzen der Genießer. Dank politischer (und kulinarischer) Großveranstaltungen wie dem Wiener Kongress von 1814 bis 1815 entwickelte sich der Champagner zur fixen Größe bei allen Banketten und Bällen. Zur Mitte des 19. Jahrhunderts haben sich die Produkte der bis heute bekannten Erzeuger als erste echte Markenartikel im globalen Weinhandel gefestigt. Namen wie Moet & Chandon, Heidsieck, Jacquesson, Veuve Clicquot oder Louis Roederer etablierten sich rasch in allen Metropolen. Schnell begannen zahlreiche Mitbewerber auf aller Welt das Erfolgskonzept der »méthode champenoise« zu kopieren. Und die Winzer der Champagne reagierten umgehend und sannen danach, ihr Produkt und den Namen dessen Weinbaugebietes mit allen rechtlichen Mitteln zu schützen. So wurde Champagne zur ersten gesetzlich geschützte Herkunftsbezeichnung für einen Wein. Rund 325 Millionen Flaschen pro Jahr repräsentieren heute rund zehn Prozent des weltweiten Schaumweinkonsums. Fotos: Wien Museum / brandstaetter images / picturedesk.com, Mathieu Garáon, Shutterstock 26 falstaff dez–feb 2024

Lucie Pereyre de Nonancourt stärkt erfolgreich seit 2019 im familieneigenen Unternehmen Laurent-Perrier die Marke weltweit. Anfang des 19. Jahrhunderts kam der Schaumwein dank großer Anlässe wie dem Wiener Kongress in Europa in Mode. Einige Jahre später gründete 1843 Joseph Krug sein Champagnerhaus. FRANKREICH: NICHT NUR CHAMPAGNE Die Champagne steht bei Franzosen in der Gunst ganz oben, aber es gibt auch tolle schäumende Alternativen aus der Grande Nation des Weines. Alle weiteren französischen Schaumweine mit Herkunftsbezeichnung werden als Crémant bezeichnet. Diese stammen aus acht gesetzlichen Anbaugebieten, nämlich aus Bordeaux, Burgund, der Rhône, Elsass, Jura, Limoux (Languedoc), Loire und Savoyen. Wie für die Produktion des Champagners ist auch beim Crémant das Verfahren der Flaschengärung verbindlich vorgeschrieben. Zur Abgrenzung von Champagner und Sekt hat die EU den Begriff 1994 gesetzlich geregelt und die Bezeichnung Crémant darf heute auch in anderen Ländern verwendet werden: Seit 1991 gibt es Crémant de Luxembourg, seit 2009 ist die Bezeichnung in Deutschland zulässig. In Österreich darf auf herkunftsgeschütztem »Sekt Austria g.U.« der Begriff Crémant nicht geführt werden, ansonsten ist er im Rahmen des EU-Rechtes zulässig. Die französischen Crémants werden stark vom jeweiligen Klima und den ortsüblichen Rebsorten geprägt. Beim Crémant de Bourgogne spielen Chardonnay und Pinot Noir die erste Geige, denn die stilistische Nähe zum Champagner ist hier die größte. Und nur hier findet man seit 2016 die Zusatzbezeichnungen »Eminent« für 24 Monate Reife auf der Hefe. Ab 36 Monaten darf sich das Produkt »Grand Eminent« nennen. Im Elsass, der flächenmäßig größten Appellation für Crémant, entsteht der Crémant d’Alsace AOC häufig auf Basis von Pinot Blanc, Auxerrois, Pinot Gris, Riesling und Pinot Noir. Kenner schätzen Erzeuger wie Valentin Zusslin, Jean-Claude Buecher oder Jean-Paul Schmitt. Die wichtigste Herkunft ist die Loire-Region, hier wurde 1811 die erste Schaumweinkellerei eingerichtet. Die Region rund um die Stadt Saumur ist für seine exzellenten Qualitäten berühmt. Das Haus Bouvet Ladubay, Gratien & Meyer oder Langlois-Chateau zählen international zu den bekanntesten Marken. Von den eher alpinen Regionen ist der auf nur 30 Hektar limitierte Crémant de Die aus der Sorte Clairette ein rares Vergnügen. Die 60 Hektar in Savoyen ergeben florale, eigenständige Crémants aus Altesse und Jacquère. Der Crémant de Jura mit mehr als 500 Hektar basiert auf Chardonnay, hier hält man nach den Top-Produkten von Bénédicte und Stéphane Tissot Ausschau. Wenig bekannt, weil kaum bemerkenswert, ist der Crémant de Bordeaux. Der älteste Schaumwein der Welt ist der Blanquette de Limoux, er wurde schon im 16. Jahrhundert in der Aude genossen. < dez–feb 2024 falstaff 27