Falstaff LIVING Nr. 01/2023

trends / NEWCOMER:INNEN

trends / NEWCOMER:INNEN »DAS DENKEN IN NISCHEN UND FLOSKELN ABLEGEN!« Angela Stief: In ihren Ausstellungen bricht die Kuratorin gerne und bewusst mit überholten Seh- und Denkmustern. Diesem Kurs ist sie auch als Direktorin der Albertina Modern treu. LIVING hat sie zu Tendenzen in Gegenwart und Zukunft befragt. INTERVIEW STEFAN MUSIL wir es, materialästhetische Positionen als künstlerische Gegenbewegung zu den glatten Screens, der Virtualität und Oberflächlichkeit der neuen Medien und den manchmal erschreckenden Entwicklungen der künstlichen Intelligenz für bedeutsam. Lyrik, Haptik, Sinnlichkeit und Handwerk waren in der Kunst schon immer wichtig und können auch als Korrektiv einer verlustig gewordenen Unmittelbarkeit gelesen werden. Dies betrifft nicht nur die Wertschätzung von jungen Künstler:innen, sondern gilt auch für ältere Kunstschaffende überall auf der Welt, wie Phyllida Barlow, Franz Grabmayr, Elena Koneff, Barbara Chase-Riboud und viele andere. Was sollen »Ausstellungen« in Zukunft können? Auch Ausstellungsmacher:innen müssen ihren Scheuklappenblick weiten, ein Denken in Nischen und Floskeln ablegen und sich überlegen, wie man den Wünschen, den Erwartungen, dem Informationsbedürfnis sowie dem ästhetischen Genuss der Besucher:innen, den vielen unterschiedlichen Zielgruppen des Museums entgegenkommen kann. Die Zufriedenheit des Publikums ist der Gradmesser für eine erfolgreiche Museumsarbeit. Meine Devise lautet, populär, aber nicht populistisch zu sein. LIVING Vielfalt, Diversität, Globalisierung prägen die aktuelle Kunst. Ist die Zeit der männlichen, westlichen Dominanz vorbei? ANGELA STIEF So sehr momentan auch ein Öffnungsprozess hinsichtlich identitätspolitischer Fragestellungen in der Gesellschaft stattfindet und sogenannte BIPoC-Positionen in der Kunst, das heißt Black, Indigenous and People of Color, von Venedig über New York bis Paris und London boomen, so sehr glaube ich nicht an ein Entweder-oder. Sondern ich sehe diverse, queere, außereuropäische, indigene Künstler:innen wie Alexandre Diop und Verena Bretschneider sowie Outsider wie August Walla und Josef Karl Rädler als Bereicherung und Erweiterung des Kanons. Ich liebe Kunst von alten Meistern wie Bosch, Eva Beresin »Under My Skin«, 2022, Acryl auf Leinwand – eine von Angela Stief entdeckte und begeistert geförderte Künstlerin. Bruegel, Dürer, Rembrandt und Goya, mit der die grafische Sammlung der Albertina prachtvoll gefüllt ist. Inklusion bedeutet für mich Gleichberechtigung und ein Nebeneinander auf Augenhöhe. Stimmt die Wahrnehmung und dominiert bei den Jungen weniger Konzept als Gefühl, Poesie, ein spielerischer Umgang mit Material und Medien? Dies ist wohl eine unter vielen Tendenzen in der Gegenwartskunst, die selbst in ihrer Vielfalt kaum mehr zu überbieten ist. Ich halte, nennen Angela Stief 1974 in Augsburg geboren, war von 2002 bis 2013 in der Kunsthalle Wien tätig. Seit Herbst 2021 ist sie Direktorin der Albertina Modern. Fotos: Courtesy of the artist, Accelent Communications gmbh/APA-Fotoservice/Hörmandinger 52 falstaff LIVING 1 / 23

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