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WOLFGANG PAUSER ESSAY DIE ARCHITEKTUR DES ESSENS Was wir essen, ist gestaltet. Die Gemüseplatte vom Koch, der Schokoriegel vom Food- Designer, der Apfel vom lieben Gott. Die Formen machen den Unterschied. H at schon mal jemand etwas Formloses erspäht? Na also. Nur in den Abstraktionen der Metaphysik existiert Materie ohne Form. Jede Wolke hat eine Form, und sogar Nebel hat eine, wenn auch nur aus der Ferne betrachtet. Da alles eine Form hat, fragt sich nur, welche. Zufällige Formen widersetzen sich nicht nur oft dem Gebrauch, sondern auch den Bedürfnissen der Wahrnehmung und unseren Ansprüchen an Sinn und Bedeutung. Funktion, Ästhetik und Bedeutung sind jene drei Dimensionen, für die Gestaltung unverzichtbar ist. Sie verwandelt die zufällige Form in eine gewollte. Nur diese ist in vollem Umfang dem Menschen gemäß. Auch wenn manche Speisen in der gehobenen Gastronomie abstrakten Gemälden gleichen, die einen übergroßen Teller anstelle der weißen Leinwand zum Untergrund erkoren haben – es ist an erster Stelle die Architektur, deren Zugang zur Gestaltung der Menschenwelt die größte Ähnlichkeit zur Kochkunst zeigt. Besonders dann, wenn man sie ihrer Tradition gemäß als universale Disziplin versteht, die im Großen bei Städtebau und Landschaftsplanung beginnt und im Kleinsten beim Design der Türklinken und Sitzmöbel endet. Gulasch mit Knödel fällt eindeutig in die Kategorie Städtebau. Der Saft bildet die Grundfläche. Auf dieser erheben sich individuell geformte Bauklötze aus Fleisch, die sich in Streulage über die Landschaft verteilen. Der Knödel erhebt sich als geometrischer Großbau über die Stadthäuser – als Kirche im Dorf, wenngleich in der profanen Tradition des Kugelbaus, wie sie erstmals in der französischen Revolutionsarchitektur und später in der Funktion der Weltausstellungspavillons in Erscheinung getreten ist. Wie die Architektur muss auch die Gestaltung von Nahrungsmitteln erst einmal funktionieren. Food-Design zielt daher nicht etwa (wie das Food-Styling) auf Behübschung, sondern auf Steigerung der Funktionalität. Das Fischstäbchen zeigt, »Gulasch mit Knödel fällt in die Kategorie Städtebau. Der Saft bildet die Grundfläche. Auf dieser erheben sich Bauklötze aus Fleisch, die sich in Streulage über die Landschaft verteilen.« als Paradefall, wie sehr maschinelle Verarbeitung, Lagerung, Verpackung und Transport (bis in den Mund hinein) die Formgebung prägen können. Es verkörpert die Übertragung der Bauhaus-Architektur auf das Food-Design. Doch wie die funktionalistische Architektur geht auch das Fischstäbchen über die pure Funktion hinaus. Indem es den Arbeitsaufwand beim Fischessen reduziert, verlagert es die Auf- Fotos: beigestellt 64 falstaff 01 / 16
merksamkeit auf wenige minimalistische Sensationen, die damit in den Vordergrund treten. Alles, was an die Natur des Fisches erinnert, wird zum Verschwinden gebracht. Als artifizielles Industrieprodukt schmeckt dieser kaum noch nach Fisch, hat keine Gräten, wurde geometrisch abstrahiert und mit einer knusprigen Hülle verpackt. Die zu einem Teil des Produkts gewordene Verpackung entzieht den Fisch dem Auge und der Nase. Obwohl das Fischstäbchen als Feindbild der Gourmetkultur gilt, muss man ihm doch zugutehalten, in jener französischen Tradition der Ästhetik zu stehen, die eine Verfeinerung der Wahrnehmung mit dem Verwischen aller Spuren des Natürlichen kombiniert. Dieses Prinzip wird hier so weit getrieben, bis der Fisch kein Fisch mehr ist und sein Geschmack nur noch in feinsten Spuren schmeckbar bleibt. An diesem Punkt der Übertreibung setzt die Kritik den Hebel an. Schließlich führen die Milderung ebenso wie die Überformung hier nicht zur Differenzierung, sondern zur Vereinheitlichung und Abstumpfung. So ästhetisch defizitär ein Fischstäbchen auch erscheinen mag, kann man ihm dennoch auch die dritte Dimension architektonischer Gestaltung nicht absprechen – die der Bedeutung. Denn es steht sinnbildlich für eine beinahe vergessene Utopie radikaler Moderne, die man nur noch in Science-Fiction-Heftchen der 1960er-Jahre nachlesen kann: Weltraumfahrt galt als Zukunft der Menschheit, Essen erschien nur noch als Zeitverschwendung, die man alsbald durch Nährstoffpillen ersetzt haben wollte. Das Fischstäbchen ist auf halbem Weg zur Erlösung vom irdischen Mahl stecken und uns als Relikt übrig geblieben. Sein Potenzial für neuen Retro- Chic harrt noch der Entdeckung. Im Vergleich zur Architektur hat die Formgebung der Nahrung eine zusätzliche Aufgabe: die Vermeidung von Ekel. Formales Chaos beleidigt nämlich bei anorganischen Festkörpern nur das Auge, während es bei organischen auch den Magen irritieren kann. Deshalb ist das Minimum jeder Zubereitung eine Ordnung, die als Eingriff eines menschlichen Gestaltungswillens zumindest erkennbar ist. Es ist die Form selber, die einen Stoff der Natur in ein Objekt der Kultur verwandelt. Unterschiedlich sind die dabei verfolgten Strategien. Das eine Extrem sind architektonische Aufbauten wie Torten, Burger und Lasagne. Den Gegenpol bilden die Eintöpfe, Saucen und Suppen. Im ersten Fall kommt das Messer zum Einsatz, um ein Stück Materie zu geometrisieren (wie bei den Nudelformen) oder es als gesondertes Objekt identifizierbar zu machen (das Steak auf dem Teller). Im zweiten Fall wird das Chaotische der Natur nicht bekämpft, sondern so weit verstärkt, bis ein Stadium kleinteiliger Vermischung erreicht ist, das von der Wahrnehmung als neue Homogenität und damit wie ein Stoff erfahren wird. Ziegel und Mischbeton wären die bautechnischen Äquivalente zu diesen »Die Dekoration ist ein besonderes Verhältnis zwischen den Speiseformen auf dem Teller. Dabei sollte zwischen dem Dekorierten und dem Dekorierenden unterschieden werden.« DR. WOLFGANG PAUSER war in den 1990er-Jahren Kolumnist für DIE ZEIT. Seitdem analysiert er Produkte aus kulturwissenschaftlicher Perspektive im Auftrag von Unternehmen und Agenturen. Formstrategien der Zubereitung. Zwischen diesen Extremen bewegen sich vielfältige Praktiken ihrer Kombination: serielle Formationen wie bei Spieß oder Sushi, Verbergungen wie bei Krautwickel oder gefülltem Zucchini, Ummantelungen wie bei Marillenknödel oder Schnitzelpanier. Ein besonderes Verhältnis zwischen den Speiseformen auf dem Teller ist das der Dekoration. Dieses setzt voraus, dass zwischen dem Dekorierten und dem Dekorierenden unterschieden werden kann. Dabei können sowohl Suppen mit festen Objekten geschmückt werden – wie etwa würfelförmigen Croûtons – als auch zentrale Essobjekte mit einer teilweisen Überschüttung ornamentiert werden. Die Tradition des reinen Dekors jedoch ist im Verschwinden begriffen. Nur noch in Landgasthäusern muss neben dem Braten ein welkes Salatblatt gemeinsam mit einem roten Strich Paprika versuchen, den Teller in Festtagslaune zu stimmen. Heute werden Zutaten so arrangiert, dass ihre gegensätzlichen Formen einander wechselseitig dekorieren. Die aktuellen Speiseformen haben zwei Wurzeln. Die eine liegt in dem kleinen Speisekartenwörtchen »an«. Die andere im Begriff »Fusion«, der ein unendliches Spielfeld der Kombinatoriken eröffnet hat, auf dem sich Köche wohl noch jahrzehntelang kreativ austoben können. Elemente verschiedenster Kulte und Kulturen, geografisch oder historisch oder auch ideologisch mit Identität aufgeladen, werden zusammengeführt. Auf dem Territorium des Tellers müssen sie wie in einer multikulturellen Gesellschaft nebeneinander Stellung beziehen. Nichts ist nur Beilage, nichts die Hauptsache. In der Tellerdemokratie liegt die eine Form an der benachbarten. Man könnte diesen Stil »Con- Fusion« nennen. Zum Genuss trägt er bei, indem er die Komplexität der formalen Ordnung steigert. Das macht Lust, sie dennoch erkennen zu wollen. < 01 / 16 falstaff 65
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